Budgetierung im Gesundheitswesen und die Folgen
Die Homepage der Barmer GEK beginnt mit folgender Aussage:
"Wir bieten
Ihnen einen vollständigen Schutz, von der Vorsorge über Behandlungen bis zur
Nachsorge und Pflege. Zusätzlich gibt es zahlreiche Extra-Leistungen inklusive –
weit mehr, als vom Gesetzgeber gefordert."
Stimmt das? Wirklich
vollständiger Schutz und vollständige Behandlung?
Nun, bisher habe ich das auch immer gedacht und hatte nie den geringsten
Grund, daran zu zweifeln. Bevor ich fortsetze und meinen aktuellen Fall
schildere, sollte faierer Weise angemerkt werden, dass es hier nicht speziell um
die Barmer GEK geht. Dass ihr Name hier erscheint, liegt daran, dass sie seit
Jahrzehnten meine Krankenversicherung ist. Sie ist genauso wie andere
Krankenkassen an Vorgaben gebunden, von denen ich bis zur Recherche dieses
Beitrages nur am Rande etwas mitbekommen hatte. Viertieft man sich in diese
Vorgaben und das Verteilungssystem zur Vergütung der niedergelassenen Ärzte,
gerät man in ein Wirrwarr, das ein Laie kaum durchblicken kann, aber zu
dramatischen Folgen insbesondere für Versicherte mit chronischen Krankheiten
führt. Aber diese Folgen spürt dann nicht nur der
Versicherte als Patient, sondern auch der Arzt, der bei Überschreitung seines
Budgets mit Rückzahlungen und sogar Strafzahlungen rechnen muss, wobei sogar
sein privates Vermögen, sofern er welches hat, herangezogen werden kann.
Zur Vorgeschichte Seit meinem 38. Lebensjahr leide ich an
Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa (entzündliche Darmerkrankungen). Schwere
Schübe mit mittleren, aber auch lebensbedrohlichen Blutverlusten gehörten zum
Alltag. Um Schübe zu vermeiden nahm ich auf ärztliche Anordnung über 22 Jahre
täglich Kortison in Form von Tabletten. Nebenwirkungen waren u.a. schnelles
übermäßiges Schwitzen, Vermeidung von Sonnenlicht; und in der letzten Phase
ständig geplatzte Adern an den Unterarmen. Zweimal "prophezeiten" mir die Ärzte
nach Krankenhauseinlieferung über die Notaufnahme, dass ich kaum den nächsten
Tag erleben werde, weil der Blutverlust zu hoch war. Doch bei meiner letzten
Einlieferung über die Notaufnahme des Klinikums München Groß-Hadern erfuhr ich,
dass es eine Alternative zum Kortison gibt, aber nicht jeder für dieses neue
Medikament geeignet ist. Nachdem ich mich von dem Schub erholt hatte, begannen
die Ärzte in Groß-Hadern, mich auf das neue Medikament vorzubereiten. Ständige
Tests an Lunge, Herz, Leber, Nieren, Knochendichte usw. gehörten dazu, ebenso
natürlich die schon längst in meinem Leben zum Standard gewordene
Darmspiegelung. Fast umglaublich, das Kortison hatte weder Organe noch Knochen
bei mir angegriffen. Aber es verhinderte leider auch keine schweren Schübe mehr
und führte immer mehr zu anderen schlimmen Nebenwirkungen wie das genannte
Aufplatzen von Adern an den Armen. REMICADE Das war das
neue Medikament, das mir in Aussicht gestellt wurde. Verabreicht durch
Infusionen, anfangs wöchenlich, dann monatlich und später auf Dauer sollte es
zweimonatlich sein. Ein letztes Hindernis Ich war also im
Grunde für REMICADE geeignet. Eines fehlte noch: die körpereigene
Kortisonbildung über die Nebennierenrinde. Kortison ist ein körpereigenes
Hormon, welches in geringem Maße über die Nebennierenrinde produziert wird. Aber
nach längerer Kortisoneinnahme stellt sie die Produktion ein. Würde sie nach 22
Jahren Kortisoneinnahme wieder anfangen, Kortison zu bilden? Die Fachärzte,
Professor Dr. Uwe Ochsenkühn und Fr. Dr. Weidinger begleiteten diese
Umstellungsphase in einer Form, wie ich sie bei Ärzten bis dahin nicht erlebt
hatte, kompetent, mitfühlend und hoffnungsgebend, mehr Freunde als Ärzte. Aber sie hatten noch nie einen
Patienten gehabt, der über einen so langen Zeitraum Kortison verschrieben bekam und
waren skeptisch. Der Versuch war spannend. Was macht die Nebennierenrinde, wenn
ich dem Körper keine Kortisontabletten gebe. Für alle war es fast ein Wunder:
sie produzierte sofort wieder eigenes Kortison. Für REMICADE geeignet
Jetzt war es amtlich, ich konnte die Umstellung von Kortison zu
REMICADE unter ärztlicher Aufsicht beginnen. Ich werde es nie vergessen, wie ich
von Professor Dr. Uwe Ochsenkühn ein Schriftstück wie eine Urkunde überreicht bekam.
Und genauso formulierte er es auch: "Herzlichen Glückwunsch, Sie haben es
geschafft, wir beginnen mit REMICADE". Nein, nicht ich hatte es geschafft.
Ärzte, die weiter dachten, die sich ernsthaft um mein Wohnergehen Gedanken
machten, sie hatten es geschafft. Denn ohne Ihre Art, mir Mut zu machen, hätte
ich das alles nicht durchgehalten. Was hat es mir gebracht?
Ich will es kurz machen. Denn aus der Mail, die ich aus Gründen der
Budgetierung an meine Krankenkasse geschickt habe, geht alles hinreichend hervor.
REMICADE hat mir zu einer gewaltig verbesserten Lebensqualität
verholfen. Und das nun schon seit fast sechs Jahren. Es begann mit
einem Brief Nach meinem Umzug ins Emsland suchte ich hier einen
Arzt, der REMICADE verabreichen darf und geriet an Dr. Wittrock in der
Gemeinschaftspraxis Dr. med. Ulrich Mammes, Dr. med. Bernhard Wittrock und Dr.
med. Andreas Kohlenbach im Krankenhaus Papenburg. Seit 2010 fühle ich mich hier bestens
ärztlich versorgt und gut aufgehoben. Dazu trägt auch das ganze Team bei, das stets
freundlich und entgegenkommend ist.
Und vor wenige Tagen bekam ich dann
diesen Brief: Bitte hier
LESEN
Nach Rückruf in der Praxis in Papenburg und gründlicher Internetrecherche sprach ich am selben Tag mit meiner
Krankenkasse, der Barmer GEK und hatte am nächsten Tag einen persönlcihen Termin.
Meine Sachbearbeiterin hatte bereits einen Antrag für mich vorbereitet, den ich
unterschrieb. Ich erklärte was es für mich bedeuten würde, kein REMICADE
mehr zu bekommen. Sie bat mich, dies alles aufzuschreiben und per Mail
einzureichen. Einschließlich der Fotos, die ich in einem anderen Münchener
Klinikum gemacht hatte und die deutlich belegen, wie mein Leben vor REMICADE
aber mit Kortison aussah. Das ist in meiner Mail nachzulesen, die ich hier
veröffentliche, nur die Fotos habe ich aus Gründen der Pietät weggelassen.
Der Antrag mit meiner Mail wurde von der Sachbearbeiterin weiter geleitet an ein
internes Gremium, das in meinem Fall entscheidet über die Weiterverordnung von
REMICADE. Wie dies ausgeht, werde ich hier veröffentlichen.
Lesen Sie die Mail in zwei Abschnitten
Teil 1
Teil 2
Erst einmal endet damit
dieser Beitrag.
Aber es geht ja nicht nur um mich, es geht um viele andere
Betroffene und die Budgetierung der Ärzte und deren Dilemma, helfen zu wollen,
aber nicht immer zu dürfen. Vieles muss noch recherchier und die Genehmigung zur Veröffentlichung ander
herbeigeholt werden. Dann
erscheint rechts hier im Kasten, wie unmenschlich die
finanzielle Verteilung im Gesundheitswesen sein kann.
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Was mich bei der Recherche besonders
betroffen gemacht hat: Viele Ärzte wissen, dass es für manche Patienten
in einzelnen Fällen Medikamente gibt, die ihnen helfen, Krankheiten lindern
oder sogar heilen. Aber weil sie ihr Budget im Auge haben müssen (!),
verschweigen sie es. Welch ein Gewissenskonflikt den Ärzten, die an einen
Eid gebunden sind, hier aufgezwungen wird.
Menschlich nicht
nachvollziehbar.
In Kürze
Die
Budgetierung in weiteren Einzelfällen
Ärzte im Konflikt
Meinungen von Ärzten
Mein Patient braucht... ...aber
Was sollten Patienten in ähnlichen Fällen tun?
Warum übt die sonst so einflussreiche
Pharmaindustrie hier keine massive Kritik.
Ausgang meines Antrages bei der Barmer GEK
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